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Ein stabiles und nachhaltiges Finanzsystem für Deutschland und Europa: Was ist erreicht, was fehlt?

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Gehen die Reformen des Finanzsektors seit dem Ausbruch der Finanzkrise weit genug? Was halten die Banken von diesen Reformen? Und spielt bei so viel Krisenmanagement die Nachhaltigkeit von Investitionen und Finanz-Anlagen überhaupt noch eine Rolle?

Der Bundesverband der Deutschen Banken (BdB) und die Heinrich-Böll-Stiftung haben über drei Monate hinweg Experten aus der Finanzbranche, der Politik und der Zivilgesellschaft versammelt, um diese Fragen zu diskutieren. Bei einer öffentlichen Abschlussdiskussion zu diesen Fachgesprächen kamen die wichtigsten Punkte noch einmal auf den Tisch.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, die bisher auch den grünen Wahlkampf zur Finanzmarktregulierung dominiert: Die Höhe des Eigenkapitals, das die Banken vorhalten müssen. Es konnte nicht überraschen dass Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, sich vehement für höhere und vor allem ungewichtete Eigenkapitalquoten einsetzte.

Überraschend waren da schon eher die Einlassungen von Michael Hüther, Direktor des nicht gerade für seinen Regulierungs-Enthusiasmus bekannten Instituts der deutschen Wirtschaft. Hüther unterstützt die Forderung nach veränderten Eigenkapital-Anforderungen weitgehend, und begründet das mit dem aus seiner Sicht zentralen Fehler der Finanzmarkt-Regulierung vor der jetzigen Krise. Durch die so genannte Basel 2-Regulierung können Banken die Eigenkapitalquote für unterschiedliche Investments mit internen Risikomodellen selbst justieren. Diese „faktische Privatisierung der Regulierung“ habe zu erheblichen Fehlanreizen geführt: Vor der Finanzkrise war nur zwei Prozent des Kreditvolumens der Banken mit Eigenkapital unterlegt.  Die Quote für das Eigenkapital darf aus Sicht von Hüther sogar noch höher sein als die von Gerhard Schick ins Spiel gebrachten 10 Prozent – als Beispiel nennt er die in der Schweiz angestrebten 19 Prozent.

Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Bankenverbandes, sucht in dieser Diskussion nach Zwischentönen. Er glaubt nicht, dass es eine einheitliche Regel unabhängig von Risikomodellen und Portfolio geben kann, die bei allen Banken für angemessene Eigenkapitalquoten sorgt. Dabei treibt ihn weniger die Sorge vor höheren Eigenkapital-Pflichten um – Krautscheid kritisiert in dieser Hinsicht die VertrerInnen seiner Branche, die als Reaktion auf diese Forderung reflexartig eine Kreditklemme für den Mittelstand beschwören.

Sorgen macht sich Krautscheid hingegen, dass gleiche Regeln für alle die kleineren Banken benachteiligen könnten. Diese Sorge beruht auf der Annahme, dass kleine Banken eher risikoavers handeln und durch die Einheits-Quoten im Vergleich zu den Großbanken mit tendenziell riskanteren Geschäftsmodellen ins Hintertreffen geraten könnten. Diese Sorge teilt Gerhard Schick nicht, im Gegenteil: die kleineren Banken könnten sogar profitieren, weil die großen Geldhäuser bisher ihre Risiken mit ihren internen Modellen kleingerechnet haben, was sich kleine Banken oft nicht leisten können. Auch Michael Hüther hält es für denkbar, dass einheitliche Eigenkapitalquoten der Tendenz zur Größe bei den Banken sogar entgegen wirken könnten.

Gerhard Schick begründet die Forderung der Grünen nach ungewichteten Eigenkapitalquoten mit einer zentralen Einsicht aus der Finanzkrise: dass Risikobewertungen sich immer erst im Nachhinein als richtig oder falsch erweisen. Am deutlichsten hat sich das in den durchgängig hervorragenden Ratings griechischer Staatsanleihen bis Oktober 2009 gezeigt – als die Probleme des griechischen Staatshaushalts schon längst bekannt waren. Einheitliche Eigenkapitalquoten sind dementsprechend für Schick keine zu einfache und pauschale Regel, sondern die einzig mögliche Weise, um gegen die Fehlerhaftigkeit dieser Risikobewertungen vorsorgen zu können. Zudem nehmen sie auch das Problem in Angriff, dass Banken für Staatsanleihen bisher überhaupt kein Eigenkapital halten müssen – auch für die Fragwürdigkeit dieser Regelung steht der Fall Griechenland exemplarisch Pate.

Einig waren sich die drei Panelisten, dass auch das gerade in Verhandlungen befindliche Regelwerk Basel 3 nicht die abschießende Antwort auf die Turbulenzen der vergangenen Jahre sein wird. Die Vorhaben beruhen zum Teil noch auf den einige Jahre zurück liegenden Beschlüssen der G20, erklärt Gerhard Schick, und beziehen die Analyse der derzeitigen Krise noch nicht systematisch mit ein. Zum dringlichsten noch nicht abgearbeiteten Regulierungsbedarf gehört die Abwicklung und Restrukturierung von Finanzinstituten, was wiederum eine starke und unabhängige Aufsichtsbehörde voraussetzt.

Zum Abschluss mussten sich die Panelist/innen der Frage stellen, ob Deutschland overbanked ist, der Finanzsektor also zu groß im Verhältnis zur Volkswirtschaft. Gerhard Schick bejahte die Frage, auch wenn das Missverhältnis nicht so krass sei wie in Irland oder Spanien, und wünschte sich, dass auch die Deutsche Bank deutlich schrumpfe.  Wichtiger als die absolute Größe ist für Michael Hüther die Vielfalt des deutschen Bankensektors, mit international tätigen Banken einerseits und Regionalstrukturen andererseits; in diesem Mix dürfe auch die Deutsche Bank in ihrer jetzigen Gestalt bleiben, vorausgesetzt sie baut die entsprechenden Eigenkapital-Position auf. Andreas Krautscheid sieht den dringlichsten Handlungsbedarf darin, dem Problem der nach wie vor existierenden Zombie-Banken Herr zu werden, und die Institute abzuwickeln die kein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen können.


Diese Veranstaltung fand statt mit Unterstützung der Europäischen Union - Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger": Strukturförderung für zivilgesellschaftliche Organisationen auf europäischer Ebene.